Diese verbinden die Fähigkeiten von LLMs mit Werkzeugnutzung, Gedächtnis und Entscheidungslogik, sodass KI nicht nur reagiert, sondern auch eigenständig plant, handelt und Ziele verfolgt. Agentische Systeme gelten deshalb als nächster logischer Schritt in der KI-Evolution. Doch wie baut man solche Systeme konkret auf – und welche Frameworks stehen zur Verfügung?
Open-Source-Frameworks für KI-Agenten
Für Entwickler:innen, die eigene Agenten entwerfen wollen, gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Open-Source-Frameworks, die unterschiedliche Ansätze verfolgen.
LangChain ist wohl das bekannteste von ihnen. Es bietet die Möglichkeit, Sprachmodelle mit Tools zu kombinieren, externe Datenquellen anzubinden und ein Gedächtnis zu implementieren. Besonders verbreitet ist das sogenannte ReAct-Pattern, bei dem der Agent erst überlegt („thought“), dann eine Aktion ausführt („action“) und schließlich das Ergebnis reflektiert. Dadurch lassen sich flexible, nachvollziehbare Workflows abbilden – ideal für Chatbots oder automatisierte Rechercheaufgaben.
Ein anderer Ansatz kommt von Microsofts AutoGen. Dieses Framework wurde speziell entwickelt, um Multi-Agent-Systeme aufzubauen. Hier können mehrere Agenten miteinander interagieren, ihre Rollen klar definieren und gemeinsam eine Aufgabe lösen. AutoGen unterstützt dabei sowohl rein autonome Agenten-Teams als auch hybride Setups, bei denen Menschen eingreifen können. Besonders stark ist es in Szenarien wie Softwareentwicklung oder Data Science, wo komplexe Aufgaben in Teilprobleme zerlegt werden müssen.
CrewAI verfolgt ein ähnliches Prinzip, allerdings mit einem klareren Fokus auf kollaborative Rollenverteilungen. Ein CrewAI-Setup besteht aus verschiedenen Spezialagenten – beispielsweise einem Researcher, einem Planner und einem Executor –, die zusammenarbeiten, als wären sie ein menschliches Team. Dieses Design eignet sich vor allem für Business-Anwendungen wie automatisiertes Projektmanagement oder Content-Produktion, bei denen unterschiedliche Arbeitsschritte orchestriert werden müssen.
Für Entwickler:innen, die schnelle Prototypen bauen wollen, bietet Smolagents von Hugging Face eine besonders schlanke Lösung. Das Framework ist bewusst minimalistisch gehalten und erlaubt es, innerhalb weniger Zeilen lauffähige Agenten zu erstellen. Damit ist es ideal geeignet, um erste Ideen auszuprobieren oder in bestehende Projekte integriert zu werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist LlamaIndex, das darauf spezialisiert ist, Sprachmodelle mit Wissensquellen zu verbinden. Ein LLM kann ohne zusätzliche Daten zwar viel, bleibt aber von seinem Trainingsstand begrenzt. LlamaIndex ermöglicht es Agenten, auf Unternehmensdokumente, Datenbanken oder APIs zuzugreifen. Damit lassen sich leistungsfähige Wissensagenten bauen, die in Organisationen als interne Recherche- oder Analyse-Assistenten eingesetzt werden.
Besonders spannend ist auch PydanticAI, das mit strengen Typprüfungen und Validierungen arbeitet. Während viele Frameworks den Agenten weitgehend frei operieren lassen, setzt PydanticAI klare Strukturen, was die Ausgabenformate und Datenqualität angeht. Das macht es vor allem für produktionsreife Anwendungen interessant, in denen verlässliche und überprüfbare Ergebnisse entscheidend sind.
Industrielle Systeme und Praxisbeispiele
Neben den offenen Frameworks gibt es inzwischen auch konkrete agentische Systeme, die von Unternehmen entwickelt und teilweise schon produktiv eingesetzt werden.
Ein prominentes Beispiel ist Devin von Cognition AI. Devin wird als „erster KI-Softwareentwickler“ vermarktet. Der Agent kann eigenständig Tickets aus einem Projektmanagement-System aufnehmen, Code schreiben, Tests durchführen und sogar Deployments anstoßen – ohne dass ein Mensch jeden Schritt kontrolliert. Zwar befindet sich Devin noch in der Entwicklung, aber er zeigt, wohin die Reise gehen könnte: KI als vollwertiges Mitglied eines Entwicklerteams.
Ein weiteres interessantes Projekt ist ChatDev, das als virtuelle Softwarefirma aufgebaut ist. Hier übernehmen unterschiedliche Agenten verschiedene Rollen wie CEO, CTO, Entwickler oder Tester. Gemeinsam arbeiten sie an der Erstellung von Programmen – eine Art Rollenspiel für Agenten, das gleichzeitig zeigt, wie kollaborative Multi-Agent-Systeme in Zukunft funktionieren könnten.
Auch in der Industrie finden agentische Systeme bereits Anwendung. Siemens setzt sie im Bereich der vorausschauenden Wartung ein, wo Agenten Daten von Sensoren auswerten, Anomalien erkennen und Wartungspläne vorschlagen. JPMorgan experimentiert mit Agenten für Finanzanalysen, die eigenständig Marktberichte durchforsten und Investmententscheidungen vorbereiten. Und auch im Kundenservice sind agentische Systeme auf dem Vormarsch, etwa mit Salesforce Einstein GPT Agents, die auf Basis von LangChain orchestrierte Multi-Agent-Workflows für CRM-Aufgaben ermöglichen.
Forschung und neue Ansätze
Während in der Praxis erste Systeme entstehen, arbeitet die Forschung daran, die Grundlagen agentischer Systeme systematisch zu beschreiben.
Ein Beispiel ist SwarmAgentic, ein 2025 vorgestelltes Framework, das die Entwicklung von Agenten mit Schwarmintelligenz automatisiert. Hier sollen Agenten nicht nur einzeln programmiert, sondern durch kollektives Verhalten emergent gestaltet werden.
Die sogenannte Typologieagentik bietet eine methodische Klassifikation agentischer Systeme anhand von acht Dimensionen – etwa, wie autonom, kognitiv stark oder umweltangepasst ein Agent agiert. Ziel ist es, Standards für die Entwicklung und Bewertung zu schaffen.
Auch Architekturen wie das ACE-Modell (Aspirational, Cognitive, Executive) bieten Orientierung. Sie strukturieren Agenten in verschiedene Schichten – von der langfristigen Zielsetzung bis hin zur konkreten Task-Ausführung –, ähnlich wie das OSI-Modell in der Netzwerktechnik.
Tipps für Entwickler:innen
Wer selbst mit agentischen Systemen experimentieren möchte, sollte zunächst klein anfangen. Ein einzelner Agent mit LangChain oder Smolagents ist ein guter Einstieg, da er schon grundlegende Fähigkeiten wie Planung und Tool-Nutzung demonstriert.
Im nächsten Schritt lohnt es sich, auf Multi-Agent-Frameworks wie AutoGen oder CrewAI umzusteigen, sobald die Aufgaben komplexer werden und verschiedene Rollen sinnvoll erscheinen. Dabei ist entscheidend, die richtige Balance zwischen Autonomie und Kontrolle zu finden: Mensch-in-the-Loop bleibt wichtig, um Fehler rechtzeitig abzufangen.
Für produktionsreife Anwendungen sind Frameworks wie PydanticAI oder LlamaIndex interessant, da sie robuste Ausgabenformate und tiefe Datenintegration ermöglichen. Wichtig ist außerdem, die Leistung der Agenten nicht nur über Textqualität, sondern anhand klarer Benchmarks zu messen – etwa, wie zuverlässig sie ein Ziel tatsächlich erreichen.
Fazit
Agentische Systeme markieren einen Wendepunkt in der KI: Sie sind nicht länger passive Werkzeuge, die nur auf Anfragen reagieren, sondern aktive Akteure, die planen, handeln und sich koordinieren können. Mit Open-Source-Frameworks wie LangChain, AutoGen, CrewAI, Smolagents, LlamaIndex und PydanticAI steht Entwickler:innen heute ein reichhaltiges Ökosystem zur Verfügung, um eigene Agenten zu entwerfen.
Gleichzeitig zeigen industrielle Systeme wie Devin oder ChatDev, dass agentische Ansätze mehr sind als nur Forschungsexperimente – sie erobern bereits reale Anwendungsfelder. Und die Forschung arbeitet daran, diese neue Generation von KI zu systematisieren, zu standardisieren und sicher nutzbar zu machen.
Die Vision ist klar: In naher Zukunft werden Agenten nicht nur Tools bedienen, sondern als eigenständige digitale Kolleg:innen auftreten, die gemeinsam mit Menschen komplexe Probleme lösen.
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