Um zu verstehen, warum Menschen neue Technologien annehmen oder ablehnen, lohnt sich ein Blick auf die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT), nach der die Akzeptanz neuer Technologien von vier Schlüsselfaktoren abhängt [1; 2]:
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Leistungserwartung (Performance Expectancy): Wie stark glaubt eine Person, dass die Nutzung der Technologie ihre Arbeitsleistung verbessert?
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Anstrengungserwartung (Effort Expectancy): Wie einfach ist die Technologie zu verstehen und zu bedienen?
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Sozialer Einfluss (Social Influence): Wie stark wird die Person durch andere (Kollegen, Vorgesetzte, Freunde) beeinflusst, die Technologie zu nutzen?
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Erleichternde Rahmenbedingungen (Facilitating Conditions): Welche organisatorischen oder technischen Unterstützungsangebote gibt es für die Nutzung der Technologie?
Diese Faktoren wirken bei Menschen unterschiedlicher Altersgruppen unterschiedlich stark. Während jüngere Beschäftigte oft den Bedienkomfort und die Neuheit einer Technologie schätzen, legen ältere Mitarbeitende mehr Werte auf Unterstützung, Transparenz und Schulungsmöglichkeiten [1; 2]. Das bedeutet aber nicht, dass ältere Mitarbeitende „technikfern“ sind. Häufig fehlen schlicht Einbindung, Zeit und praxisnahe Schulungen, um den Nutzen und die Funktionsweise von KI-Systemen zu verstehen.
Bevor Maßnahmen ergriffen werden, sollten typische Barrieren in altersdiversen Teams erkannt werden [3; 4; 5]:
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Technologische Skepsis: Besonders in Unternehmen mit langjähriger Belegschaft ist die Sorge groß, dass KI „die Menschen ersetzt“. Studien zeigen jedoch, dass diese Angst weniger vom Alter und mehr von mangelnder Transparenz abhängt.
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Komplexe Bedienoberflächen: Die Bedienung der KI-Anwendungen kann für weniger technikaffine Mitarbeitende auf den ersten Blick abschreckend sein, häufig wird dies durch wenig intuitive Systemgestaltungen verstärkt. Menschzentrierte Gestaltung (link zu unserem Artikel) kann hier Akzeptanzbarrieren effektiv abbauen.
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Fehlende Mitgestaltung: Wenn KI-Systeme „von oben“ eingeführt werden, ohne Rücksprache mit den späteren Nutzenden zu halten, sinkt die Identifikation mit diesen Anwendungen deutlich.
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Ungleich verteilte Weiterbildungen: Weiterbildungsangebote richten sich oft an Jüngere – ältere Mitarbeitende können sich dadurch ausgeschlossen oder überfordert fühlen.
Für KMU und Start-Ups, die KI erfolgreiche einführen wollen, gilt: Akzeptanz entsteht durch Beteiligung, Kommunikation und kontinuierliches Lernen. Die folgenden fünf Prinzipien haben sich in der Praxis bewährt [6; 7; 8]:
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Partizipation von Anfang an: Mitarbeitende unterschiedlicher Altersgruppen sollten frühzeitig in die Auswahl und Gestaltung von KI-Systemen eingebunden werden. Methoden wie Shadowing (Link zu unserem Blogbeitrag), Interviews oder Workshops helfen, Nutzungsperspektiven zu verstehen und Vertrauen aufzubauen.
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Klare Kommunikation und Transparenz: Eine verständliche Vermittlung dessen, was die KI tut – und was nicht – reduziert Missverständnisse und stärkt Vertrauen.
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Differenzierte Schulungskonzepte: Einheitliche Einführungsveranstaltungen für alle reichen oft nicht aus. Stattdessen bieten sich zielgruppengerechte Formate an, beispielsweise kurze Informationszettel, Tandemlernen (Junge Person mit erfahrener Person) und praxisnahe Schulungen am Arbeitsplatz.
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Erfolgserlebnisse sichtbar machen: Kleine, direkt spürbare Erleichterungen durch Einsatz einer KI fördern deren Akzeptanz – dies kann bspw. durch das Zusammenfassen von E-Mails oder das Erstellen von Notizen erfolgen.
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Vertrauen durch menschliche Kontrolle: „Human-in-the-Loop“-Ansätze zeigen, dass Menschen immer in die Prozesse involviert bleiben. Sie sind weiterhin für Entscheidungen, Korrekturen und das Validieren zuständig. Dies stärkt das Sicherheitsgefühl, insbesondere bei älteren Mitarbeitenden.
Diese Prinzipien lassen sich direkt auf die vier Dimensionen des UTAUT-Modells beziehen [1]:
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Leistungserwartung: Erfolgsergebnisse im Umgang mit KI-Anwendungen verdeutlichen den konkreten Nutzen.
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Anstrengungserwartung: Schulungen und nutzerfreundliche Gestaltung senken die Einstiegshürde.
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Sozialer Einfluss: Austausch und Tandemlernen schaffen positive Vorbilder im Team.
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Erleichternde Bedingungen: Technische und organisatorische Unterstützung sorgen für langfristige Nutzungssicherheit.
Der Anteil älterer Beschäftigter wird lauf Statistischem Bundesamt (2023) in den kommenden Jahren weiter steigen [9]. Der Einsatz von KI-Anwendungen kann dabei zur Brücke zwischen Generationen werden: Erfahrene Mitarbeitende bringen Domänenwissen und Prozessverständnis ein, während Jüngere ihre digitale Expertise teilen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass technologische Innovation immer nur so stark ist, wie ihre Akzeptanzbasis. Daher sollte in altersdiversen KMU nicht das Alter der Mitarbeitenden über den KI-Erfolg entscheiden, sondern Einbindung, Transparenz und Partizipation. So wird KI nicht als Bedrohung erlebt, sondern als Unterstützung – und die Belegschaft wächst mit der Technologie, statt von ihr abgehängt zu werden.
Literatur
[1] Venkatesh, V., Morris, M. G., Davis, G. B., & Davis, F. D. (2003). User acceptance of information technology: Toward a unified view. MIS quarterly, 425-478.
[2] Venkatesh, V., & Davis, F. D. (2000). A theoretical extension of the technology acceptance model: Four longitudinal field studies. Management Science, 46(2), 186–204.
[3] Longoni, C., Bonezzi, A., & Morewedge, C. K. (2019). Resistance to medical artificial intelligence. Journal of consumer research, 46(4), 629-650.
[4] Czaja, S. J., Charness, N., Fisk, A. D., Hertzog, C., Nair, S. N., Rogers, W. A., & Sharit, J. (2006). Factors predicting the use of technology: findings from the Center for Research and Education on Aging and Technology Enhancement (CREATE). Psychology and aging, 21(2), 333.
[5] Amoako-Gyampah, K. (2007). Perceived usefulness, user involvement and behavioral intention: an empirical study of ERP implementation. Computers in human behavior, 23(3), 1232-1248.
[6] Felber, N. A., Lipworth, W., Tian, Y. J., Roulet Schwab, D., & Wangmo, T. (2024). Informing existing technology acceptance models: a qualitative study with older persons and caregivers. European Journal of Ageing, 21(1), 12.
[7] Mitra, S., Singh, A., Rajendran Deepam, S., & Asthana, M. K. (2022). Information and communication technology adoption among the older people: A qualitative approach. Health & social care in the community, 30(6), e6428-e6437.
[8] Shandilya, E., & Fan, M. (2022, October). Understanding older adults’ perceptions and challenges in using AI-enabled everyday technologies. In Proceedings of the Tenth International Symposium of Chinese CHI (pp. 105-116).
[9] Statistisches Budnesamt. (2025). 13,4 Millionen Erwerbspersonen erreichen in den nächsten 15 Jahren das gesetzliche Rentenalter. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/08/PD25_N048_13.html?templateQueryString=rentner (abgerufen am 13.10.2025)
Autorin: Lili Peteri