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Dieser Blogbeitrag taucht tief in die Welt von Agentic RAG ein. Wir erklären, was es ist, wie es funktioniert und warum es das Potenzial hat, die Grenzen dessen, was KI leisten kann, neu zu definieren.

Die Welt der künstlichen Intelligenz entwickelt sich rasant weiter. Große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie GPT und Gemini haben bereits die Art und Weise, wie wir mit Informationen interagieren, revolutioniert. Doch ihre Abhängigkeit von statischen Trainingsdaten begrenzt ihre Fähigkeit, auf aktuelle, spezifische oder unternehmensinterne Informationen zuzugreifen. Hier kam die „Retrieval-Augmented Generation“ (RAG) ins Spiel – eine Technik, die LLMs mit externen Wissensdatenbanken verbindet. Doch nun steht die nächste, noch leistungsfähigere Stufe dieser Entwicklung bereit: Agentic RAG.

Kurz wiederholt: Was war RAG noch mal?

Um Agentic RAG zu verstehen, werfen wir einen kurzen Blick auf das traditionelle RAG-Modell. Stellen Sie sich ein LLM als einen extrem sachkundigen, aber in der Vergangenheit lebenden Gelehrten vor. Sein Wissen ist riesig, aber auf den Zeitpunkt seines „Trainingsabschlusses“ beschränkt.

RAG gibt diesem Gelehrten eine Bibliothek zur Hand. Wenn eine Anfrage hereinkommt, sucht das RAG-System zunächst in dieser Bibliothek (einer externen Wissensdatenbank, z. B. einer Vektordatenbank mit Unternehmensdokumenten) nach relevanten Informationen. Diese gefundenen „Schnipsel“ werden dann zusammen mit der ursprünglichen Anfrage an das LLM weitergegeben. Das Modell nutzt diesen zusätzlichen Kontext, um eine genauere, aktuellere und fundiertere Antwort zu generieren.

Dieser Ansatz löst bereits viele Probleme, insbesondere bei der Reduzierung von Falschaussagen („Halluzinationen“) und der Nutzung proprietärer Daten. Aber der Prozess ist noch immer recht linear und starr.

Der Sprung nach vorn: Was ist Agentic RAG?

Agentic RAG geht einen entscheidenden Schritt weiter. Statt eines starren, sequenziellen Prozesses wird ein autonomer KI-Agent in die Architektur integriert. Dieser Agent agiert wie ein intelligenter Projektmanager für die Beantwortung von Anfragen. Er kann eigenständig denken, planen, Entscheidungen treffen und verschiedene Werkzeuge nutzen.

Man kann es sich so vorstellen: Während traditionelles RAG einem Bibliothekar entspricht, der auf Anweisung ein bestimmtes Buch aus dem Regal holt, ist Agentic RAG ein erfahrener Rechercheur. Dieser Rechercheur versteht die Anfrage, überlegt, welche Informationsquellen (nicht nur eine!) am besten geeignet sind, kann bei Bedarf auch im Internet suchen, einen Taschenrechner benutzen oder sogar eine andere KI um Hilfe bitten.

Die vier Säulen von Agentic RAG

Die Funktionsweise und die Überlegenheit von Agentic RAG basieren auf vier zentralen Prinzipien:

  1. Autonome Entscheidungsfindung: Der Agent analysiert eine Anfrage und entscheidet selbstständig, ob und welche zusätzlichen Informationen benötigt werden. Er kann eine Anfrage auch in mehrere Teilschritte zerlegen.
  2. Dynamische Informationsbeschaffung: Im Gegensatz zum traditionellen RAG, das oft nur eine einzige Wissensquelle anzapft, kann der Agent auf ein ganzes Arsenal von Werkzeugen zugreifen. Dazu gehören Vektordatenbanken, Web-Suchen, APIs zu Unternehmenssoftware oder sogar Taschenrechner. Der Agent wählt dynamisch das passende Werkzeug für den jeweiligen Teilschritt.
  3. Erweiterte Generierung durch Iteration: Der Prozess ist nicht nach einer einzigen Suche beendet. Der Agent kann die ersten Ergebnisse bewerten. Sind sie ausreichend? Beantworten sie die Frage vollständig? Wenn nicht, kann er seine Strategie anpassen, die Suchanfrage umformulieren und erneut auf die Suche gehen. Dieser iterative Prozess führt zu wesentlich besseren und umfassenderen Ergebnissen.
  4. Kontinuierliches Lernen und Feedback: Agentic RAG-Systeme können aus Interaktionen lernen. Durch die Analyse von Ergebnissen und (implizitem oder explizitem) Feedback können sie ihre zukünftigen Strategien zur Informationsbeschaffung verfeinern und so mit der Zeit immer effizienter und intelligenter werden.

Die Vorteile in der Praxis

Die Einführung eines autonomen Agenten in den RAG-Prozess bringt erhebliche Vorteile mit sich:

  • Höhere Genauigkeit und Relevanz: Durch die Fähigkeit, mehrere Quellen zu nutzen und Suchanfragen zu verfeinern, sind die generierten Antworten deutlich präziser.
  • Komplexere Aufgabenbewältigung: Agentic RAG kann mehrstufige Arbeitsabläufe handhaben, die weit über einfache Frage-Antwort-Szenarien hinausgehen.
  • Gesteigerte Effizienz: Durch die Automatisierung von Recherche- und Analyseprozessen werden menschliche Mitarbeiter entlastet und können sich auf strategischere Aufgaben konzentrieren.
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Das System ist nicht auf eine einzige Datenquelle beschränkt und kann flexibel auf unterschiedlichste Anfragen reagieren.

Anwendungsfälle: Wo Agentic RAG glänzt

Die Einsatzmöglichkeiten für Agentic RAG sind vielfältig und erstrecken sich über zahlreiche Branchen:

  • Kundenservice: Ein Agentic-RAG-Chatbot kann nicht nur Standardfragen aus einer Wissensdatenbank beantworten, sondern bei einer komplexen Anfrage auch den Bestellstatus über eine API prüfen, Produktdetails aus einer anderen Datenbank abrufen und dem Kunden eine umfassende, personalisierte Antwort geben.
  • Markt- und Datenanalyse: Ein System kann beauftragt werden, einen Bericht über die neuesten Markttrends zu erstellen. Der Agent würde aktuelle Finanznachrichten aus dem Web abrufen, Verkaufszahlen aus internen Datenbanken analysieren und die Ergebnisse in einer kohärenten Zusammenfassung präsentieren.
  • Wissensmanagement in Unternehmen: Mitarbeiter können komplexe Fragen stellen wie: „Welche Leistungsbestandteile benötige ich für ein Angebot an einen Kunden mit den Anforderungen X, und wie hat sich dessen bisherige Customer Journey entwickelt?“ Der Agent würde Informationen aus dem internen Wiki, dem Ticketsystem und dem CRM aggregieren, um eine fundierte Empfehlung zu geben.
  • Gesundheitswesen: Ein KI-Assistent könnte Ärzte unterstützen, indem er die neuesten Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Krankheitsbild recherchiert, diese mit den anonymisierten Patientendaten abgleicht und mögliche Diagnose- oder Behandlungsoptionen vorschlägt.

Fazit: Die Zukunft ist „agentisch“

Agentic RAG ist mehr als nur ein weiteres Schlagwort in der KI-Welt. Es repräsentiert einen fundamentalen Wandel von reaktiven Informationsabrufsystemen hin zu proaktiven, autonomen Problemlösern. Indem wir KI-Systemen die Fähigkeit geben, zu planen, zu handeln und aus ihren Handlungen zu lernen, erschließen wir ein enormes Potenzial für die Automatisierung und Verbesserung komplexer Arbeitsabläufe.

Während die Implementierung technisches Know-how erfordert, ist klar, dass Unternehmen, die auf intelligente und datengestützte Lösungen setzen, an Agentic RAG nicht vorbeikommen werden. Die Fähigkeit, autonom auf das gesamte Wissen eines Unternehmens und der Welt zuzugreifen und es intelligent zu nutzen, wird der entscheidende Wettbewerbsvorteil der nahen Zukunft sein.

15.10.25

Weitere Informationen

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David Golchinfar

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