Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die auf digitale Souveränität besonderen Wert legen, ist der Ansatz interessant. Function Calling ermöglicht, dass Daten im Haus bleiben, Prozesse nachvollziehbar bleiben und dennoch die Effizienzgewinne moderner KI genutzt werden. Mit offenen Modellen, die on‑premises oder in europäischen Sovereign‑Clouds betrieben werden, lassen sich Datenabflüsse verhindern und Lock‑ins vermeiden. Transparenz entsteht durch Logging und Audit Trails, Austauschbarkeit durch standardisierte Schnittstellen wie JSON‑Schemas oder OpenAI‑kompatible APIs. Auf diese Weise behalten Unternehmen die Hoheit über ihre Technologieentscheidungen und stellen Compliance mit DSGVO und anderen Vorgaben sicher.
In der Praxis funktioniert das so: Unternehmen definieren zunächst einen klaren Katalog von Tools, also Funktionen, die das Modell aufrufen darf. Diese sind mit Namen, Beschreibung und Parametern hinterlegt und bilden eine Allow‑List, die Missbrauch vorbeugt. Ein Orchestrator übernimmt die Aufgabe, die Ausgaben des Modells zu validieren, die Funktionsaufrufe tatsächlich auszuführen und die Ergebnisse wieder zurückzugeben. Guardrails stellen sicher, dass sowohl eingehende Nutzereingaben als auch ausgehende Funktionsparameter geprüft und gegen Geschäftsregeln validiert werden. So lassen sich Fehler und Risiken wie Prompt Injection abwehren. Gleichzeitig wird durch strukturiertes JSON‑Output Stabilität geschaffen: Parameter werden deterministisch geparst, Validierungen können automatisiert erfolgen, Tests sind einfacher durchzuführen.
Ein Beispiel aus dem Maschinenbau verdeutlicht die Vorteile: Meldet eine Kundin eine Störung, kann der Assistent über ein Tool die Ersatzteilliste der betroffenen Maschine abrufen, Lagerbestände prüfen, einen Servicetermin vorschlagen und schließlich mit Zustimmung der Kundin einen Einsatz planen. Der Prozess läuft schneller, konsistenter und dokumentiert ab – die Reaktionszeit sinkt, die Kundenzufriedenheit steigt.
Damit der Einstieg gelingt, empfiehlt es sich, klein anzufangen. In einem Praxisprojekt reicht es, ein oder zwei eng umrissene Tools zu definieren, die zunächst nur Lesezugriffe erlauben. Erfolgsmaßstäbe sind hier die Genauigkeit und die Zeitersparnis. In einer zweiten Stufe können Schreiboperationen hinzukommen, zunächst noch mit manueller Freigabe. In der Produktionsreife schließlich werden mehrere Tools integriert, Rollenrechte eingeführt, Monitoring und Alerts etabliert und Notfallmechanismen vorgesehen. Auf diese Weise lässt sich Schritt für Schritt Erfahrung sammeln, Risiken kontrollieren und Mehrwert generieren.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Im Kundenservice können Tickets automatisch angelegt oder Garantiefälle geprüft werden, in Einkauf und Logistik lassen sich Lieferstatus und Zolldokumente abfragen, im Vertrieb können Besuchsberichte oder Angebotsentwürfe erstellt werden. Auch HR‑Abteilungen profitieren von automatisierten Onboarding‑Checklisten oder Richtlinienassistenten. In der Produktion wiederum helfen Tool Calls bei Schichtübergaben, Störungsklassifikation oder Ersatzteil-Disposition.
Ob die Modelle dabei on‑premises auf eigener Hardware oder in einer europäischen Cloud laufen, hängt von den Anforderungen an Datenhoheit und Flexibilität ab. Wichtig ist, dass eine einheitliche Schnittstelle als „schmale Taille“ zwischen Modellen und Tools etabliert wird. So lassen sich Modelle austauschen, ohne die Applikationen neu entwickeln zu müssen, und hybride Szenarien bleiben möglich.
Für den Mittelstand bedeutet Function Calling letztlich den Schritt von der reinen Interaktion zur echten Prozessautomation mit Sprachmodellen. Mit offenen Technologien, klaren Sicherheits- und Compliance‑Kontrollen und einer schrittweisen Einführung lässt sich Produktivität steigern, ohne die Kontrolle über Daten und Prozesse abzugeben. Wer jetzt erste Pilotprojekte startet, legt den Grundstein für eine souveräne, zukunftsfähige Nutzung von KI im eigenen Unternehmen.