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Wie Wertekonflikte zu Innovationstreibern werden

Technologie prägt unser Leben. Ob in der Kommunikation, Mobilität, Medizin oder im alltäglichen Leben – digitale Produkte und Services sind nicht mehr wegzudenken. Doch mit diesem wachsenden Einfluss auf Gesellschaft und Individuum wächst auch die Verantwortung derer, die diese Technologien gestalten.

Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups, die technologische Innovationen entwickeln, ergibt sich daraus eine wichtige Frage: Wie kann verantwortungsbewusste Technologiegestaltung konkret aussehen – und welche Werte sollten dabei berücksichtigt werden?

Ethik von Anfang an miteinbeziehen

Digitale Produkte sind nie neutral – jede Entscheidung im Design und in der Entwicklung bringt bestimmte Werte zum Ausdruck und lässt andere außen vor. Wer frühzeitig ethische Überlegungen in den Gestaltungsprozess einbezieht, kann nicht nur Risiken für Nutzerinnen und Nutzer minimieren, sondern auch Vertrauen aufbauen und langfristige Akzeptanz sichern.

Doch gerade für kleinere Unternehmen ohne eigene Ethikabteilungen stellt sich die praktische Frage: Welche Werte sollen berücksichtigt werden? Welche widersprechen vielleicht dem Geschäftsmodell? Und wie lassen sich Wertekonflikte systematisch lösen?

Value Sensitive Design: Werte ins Zentrum rücken

Ein hilfreicher Ansatz ist das Konzept des Value Sensitive Design (VSD). Seit über 20 Jahren wird in der Forschung daran gearbeitet, Werte wie Autonomie, Fairness, Nachhaltigkeit oder Privatsphäre systematisch in den Designprozess zu integrieren.

Doch wie eine umfassende Literaturübersicht von Winkler und Spiekermann (2021) zeigt, fehlt es oft an methodischer Klarheit. Besonders für Neueinsteiger ist der Zugang zu VSD wegen fehlender replizierbaren Methodenbeschreibungen erschwert.

Ein besonders wirkungsvolles Werkzeug zur Werteintegration ist unser Workshop zur ethischen Designreflexion, der Ansätze des menschenzentriertes Design, wertesensiblen Design und Co-Design miteinander verbindet.

Um häufig auftretende Wertekonflikte zwischen Nutzer:innen, Entscheidungsträger:innen und den unternehmensinternen Werten zu lösen, bietet das Value Sensitive Design mit der Methode der „Value Dams and Flows“ einen vielversprechenden Ansatz (Miller, 2007). Diese Methode unterstützt dabei, den oft unübersichtlichen Raum potenzieller Designlösungen systematisch zu strukturieren und Wertekonflikte sichtbar und bearbeitbar zu machen.

Das Vorgehen folgt einem klaren Prinzip: Werte, die selbst von einer kleinen Gruppe von Stakeholdern als besonders problematisch eingestuft werden („Value Dams“), werden konsequent aus dem Gestaltungsspielraum ausgeschlossen. Im nächsten Schritt rücken jene Werte in den Fokus, die von einer breiten Mehrheit der Beteiligten als positiv und wünschenswert bewertet werden („Value Flows“) – und bilden somit die Grundlage für die weitere Entwicklung.

Diese Methode ist nicht nur auf technologische Artefakte anwendbar, sondern auch auf soziale Prozesse, Organisationsstrukturen oder digitale Dienstleistungen – überall dort, wo Entscheidungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Werte getroffen werden müssen.

So lässt sich die Komplexität von Werteabwägungen reduzieren – ohne relevante Perspektiven zu übersehen.

Zwischen Parität und Priorität: Konflikte zwischen Werten lösen

Was aber tun, wenn zwei Werte unvereinbar scheinen?

Ibo van de Poel (2015, 2017) hat mit dem Konzept der „Value Hierarchies“ eine Methode entwickelt, um Werte in konkrete Designanforderungen zu übersetzen. Werte lassen sich dadurch in Normen und schließlich in technische Anforderungen „herunterbrechen“. So kann auch mit widersprüchlichen Wertvorstellungen konstruktiv umgegangen werden.

Außerdem empfiehlt van de Poel den Einsatz klassischer Methoden aus dem Ingenieurwesen, z. B. Nutzwertanalysen, Pugh-Charts oder Quality Function Deployment (QFD), um Zielkonflikte zwischen Werten strukturiert zu analysieren.

Auch Kozlovski (2022) zeigt: Es braucht eine Kombination aus substanziellen ethischen Frameworks und methodischer Innovation, um werteorientiertes Design nicht nur theoretisch zu fordern, sondern praktisch umsetzbar zu machen.

Fazit: Werte sind keine Kür – sie sind die Basis guter Technologie

Für KMU und Start-ups bietet ein werteorientierter Designansatz nicht nur ethische Orientierung, sondern auch strategische Vorteile: Produkte werden robuster gegen Kritik, sozialer, nachhaltiger und oft auch marktgerechter.

Wichtig ist dabei: Werte dürfen nicht nur als Imagefaktor oder Checkliste verstanden werden. Sie müssen Teil eines echten Gestaltungswillens sein – und sie erfordern Kreativität, Struktur und Dialog.

Denn wie Van de Poel treffend formuliert:
„Dealing with moral dilemmas through design requires not only analysis and judgement, but also the ability to creatively think out new options and to innovate.“ (2017)

Wer Stakeholder frühzeitig einbindet, den Menschen ins Zentrum der Gestaltung rückt und Werte bewusst in Entwicklungsentscheidungen übersetzt, kann Technologie nicht nur innovativ, sondern auch verantwortungsvoll gestalten.

Sie können diese Methoden in unserem kostenlosen E-Learning Kurs zu Werteorientierte Technologiegestaltung kennen lernen.

Kontaktieren sie uns gerne für individuelle Anfragen, Workshops und Projektkollaborationen!
 

Quellenangaben:
Kozlovski, A. (2022). Parity and the resolution of value conflicts in design. Science and Engineering Ethics, 28(2), 22.Miller, J. K., Friedman, B., Jancke, G., & Gill, B. (2007, November). Value tensions in design: the value sensitive design, development, and appropriation of a corporation's groupware system. In Proceedings of the 2007 ACM International Conference on Supporting Group Work (pp. 281-290).
Van de Poel, I. (2015). Conflicting values in design for values. Handbook of ethics, values, and technological design: Sources, theory, values and application domains, 89-116.
Winkler, T., & Spiekermann, S. (2021). Twenty years of value sensitive design: a review of methodological practices in VSD projects. Ethics and Information Technology, 23, 17-21. 

26.05.25

Weitere Informationen

Kontakt

Veronica Hoth
  • Wilhelm-Raabe-Straße 43,
  • 09120 Chemnitz

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